„Ich pflege als die, die ich bin“
Am 30.11.2020 verstarb die große Lehrmeisterin der Krankenpflege Schwester M. Liliane Juchli in Bern.
Die Schweizer Kranken- und Ordensschwester hat die Pflege im deutschsprachigen Raum durch ihr berühmtes Lehrbuch „Umfassende Krankenpflege“, das im Jargon häufig schlicht die „Juchli-Bibel“ genannt wurde, grundlegend geprägt. Schwester Liliane hat sich bis ins hohe Alter für ihren Beruf engagiert und Generationen von jungen Menschen dafür begeistert. Ihr Lehrbuch entwickelte sich schnell zum Standardwerk. Bis heute wurden über eine Million Exemplare davon verkauft. Juchlis Hauptanliegen war stets die Würde des Menschen und die ganzheitliche Sicht auf die Kranken.
Auch für unsere Schwester M. Ratmunda Klein (von 1971 bis 2011 Schulleiterin des Oekumenischen Instituts für Pflegeberufe an der St. Josefsklinik in Offenburg) war Juchlis Lehrbuch von größter Bedeutung.
Schwester Ratmunda erinnert sich: „Als ich in den 1965er Jahren meine Ausbildung zur Krankenpflegerin begann, gab es so gut wie kein gedrucktes Lehrmaterial. Ich hab‘ im Unterricht deshalb alles fein säuberlich mitgeschrieben und wurde sogar einmal von einem der Professoren um meine Mitschriften gebeten.1969 ging ich nach Köln, um dort eine Weiterbildung zur Unterrichtsschwester der Krankenpflege zu machen. In meinem Kurs war auch eine Schwester aus dem Kloster Ingenbohl in der Schweiz. Sie erzählte mir begeistert von ihrer Mitschwester Liliane Juchli und, dass diese ein Buch über Krankenpflege geschrieben hätte. Da wurde ich natürlich gleich hellhörig! Das Buch war aber noch gar nicht im Handel erhältlich, sondern es gab nur wenige Exemplare, die mit Maschine geschrieben und handgebunden waren. Unsere Kurskollegin hat bei Heimatbesuchen in der Schweiz immer mal wieder ein paar Exemplare für uns über die Grenze „geschmuggelt“. So kam ich zu meinem ersten Exemplar der „Juchli-Bibel“ und das wurde zu einem späteren Zeitpunkt von ihr auch noch handsigniert mit dem schönen Zitat Ich pflege als die, die ich bin!“
Schwester Ratmunda war von dem Lehrbuch auf Grund der praktischen Anleitungen und den einfachen, schematischen Zeichnungen sofort überzeugt. Als sie nach der Weiterbildung 1970 wieder nach Offenburg an die Krankenpflegeschule kam, musste sie kurzfristig die Leitung von ihrer schwer erkrankten Vorgängerin Schwester Jubilata übernehmen. „Ohne dieses Buch wüsste ich bis heute nicht, wie ich das geschafft hätte. Es war mir die allerbeste Hilfe.“ stellt Schwester Ratmunda im Rückblick fest.
Persönlich kennen gelernt haben die beiden Pflegefachfrauen sich dann Jahre später im ordenseigenen Hospiz Haus Maria Frieden in Oberharmersbach. Schwester Liliane Juchli hielt dort einen Vortrag zum Thema „Umgang mit Sterbenden“.
„Sie hatte eine ungeheure Ausstrahlungskraft und die praktischen Beispiele waren immer sehr handfest.“ schmunzelt Schwester Ratmunda. „Bei diesem Vortrag hat sie die ZuhörerInnen aufgefordert: Nehmen Sie Ihre Hände, setzen Sie sich drauf und tasten Sie Ihre Sitzhöcker! Aber immer war auch das tief Religiöse bei ihr mit dabei.“ Letztmalig trafen sich die beiden am 31.10.2011 in Offenburg anlässlich eines Vortrags von Liliane Juchli über ihre Sichtweise der Pflege am Oekumenischen Institut für Pflegeberufe.
In den Ostertagen 2020 verschickte Schwester Liliane Juchli eine ermutigende Audiobotschaft zur Corona-Pandemie an die Pflegekräfte in den Intensivstationen. Jetzt ist sie im Alter von 87 Jahren an den Folgen von COVID-19 verstorben.
Sr. Ratmunda (2. von rechts vorn) bei ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin in Offenburg. Im Hintergrund ihre Vorgängerin Schwester Jubilata.
"Ich pflege als die, die ich bin. Alles Liebe und Gottes Segen auf Ihrem Weg. Sr. Liliane Juchli"
Juchli am Oekumenischen Institut für Pflegeberufe in der Ortenau gGmbH am 31.10.2011 (von rechts: Schulleiter Walter Anton, Schwester M. Ulrike Müller, Schwester M. Liliane Juchli. In der Mitte Schwester M. Ratmunda mit dem roten Buch)
Das Oekumenische Institut für Pflegeberufe in der Ortenau gGmbH ist hervorgegangen aus einer Kooperation der Kongregation der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu in Gengenbach und des Paul-Gerhardt-Werk e.V. in Offenburg. Das Oekumenische Institut bietet umfassende Ausbildungsmöglichkeiten in den verschiedenen Sparten der Krankenpflege, von der Altenpflegehelfer/in bis zum Bachelor Angewandte Pflegewissenschaften an.