Loslassen bei Maria
Gedanken von Schwester M. Angelucia Fröhlich zum Marienmonat Mai
Der Monat Mai ist seit langem Maria geweiht. Das festliche Aufblühen der Natur ist ein Sinnbild dafür, dass in Maria das Geheimnis der Erlösung „aufgeblüht“ ist; ihre Geburt und ihr junges Leben kündet den Messias an, ähnlich wie die Morgenröte die aufgehende Sonne. „Maienkönigin“ wird sie genannt und in vielen Liedern besungen. In diesem Corona-Jahr, mit seinen vielen Einschränkungen und Begrenzungen, mag es so manchen von uns schwerer fallen, die tiefe Freude so richtig „aufblühen“ zu lassen, Mai-Altäre zu schmücken und Mai-Andachten zu halten. Doch gerade deswegen (jetzt erst recht) ist es notwendig, dem Aufblühen in der Natur und der Freude in uns Raum zu geben.
Vielleicht kann uns die Betrachtung des Loslassens bei Maria helfen, eine noch tiefere Beziehung zu ihr zu gewinnen und sie als „Quelle des Trostes“ zu erfahren, jetzt, da wir so manches loslassen müssen: Pläne, Zukunftsvisionen, Liebgewordenes, oft sogar das Allerliebste: Ehepartner, Kinder, Eltern und Großeltern.
Marias Leben war geprägt dadurch, dass sie sich immer wieder auf Anderes, Fremdes umstellen musste. Das war schon früh in ihrem Leben so. Hätte sie je gedacht, dass sie Mutter werden würde ohne Zutun eines Mannes? Dass sie ausgerechnet in der intimsten und schwersten Stunde, der bevorstehenden Geburt ihres Kindes, durch Staatsgewalt die Geborgenheit in Nazareth verlassen und in die Ungewissheit in der Fremde hineingehen müsse? Hat sie je damit rechnen können, dass ihr Kind, der Retter der Welt, so früh verfolgt wird und sie mit Josef in ein anderes Land flüchten muss?
Schließlich hat die junge Familie in Nazareth Heimat gefunden und wohl einige Jahre in Ruhe und Frieden verbracht. Doch bereits mit 12 Jahren – nach damaligem Verständnis zu Beginn des Erwachsenseins – schien sich ihr Jesus zu entfremden - er, der doch ihr Sohn war. „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49).
Immer mehr zeigte es sich, dass ihrem Sohn ein Lebensziel gegeben war, das ihre Präsenz als leibliche Mutter überflüssig machte: „Frau, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ (Joh. 2,4). Endgültig klar war es dann, als Jesus seine Mutter, die ihn sehen wollte, geradezu verleugnete: „Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: ‚Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.‘ (Mt 12, 49+50). Damit ist eine „geistige Mutterschaft“ angedeutet, die höher steht als jede leibliche Blutsverwandtschaft.
Nirgends wird berichtet, dass Maria etwa gekränkt gewesen wäre. Vielmehr unterwirft sie sich der neuen Sendung ihres Sohnes und sagt zu den Dienern in Kana: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh.2,5) Welche Mutter wäre nicht gern stolz auf ihren Sohn! Maria hingegen muss ertragen, dass ihr Sohn verachtet, verraten, verleugnet und sogar getötet wird – und das auf eine Weise, die ausdrückt, dass er als ein Gott-loser, ein von Gott Verfluchter ist. Der Herrscher der Welt stirbt als ein „Exkommunizierter“! Er muss außerhalb des heiligen Bezirks, der heiligen Stadt, sterben! Was für eine Schande!
Doch Maria steht zu ihm, sie teilt mit ihm die Schande. Und da erfährt sie die Sorge ihres Eingeborenen: „Frau, sieh da, dein Sohn! Und zum Jünger Johannes sagt er: Sieh da, deine Mutter!“ Und von dieser Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. (Joh 19, 26+27). Damit ist für Maria in ihrem Alter gesorgt.
„Loslassen können“ ist kein Wert in sich, sondern auf ein Ziel hin gerichtet. Maria kann uns helfen, in unserm eigenen Loslassen-müssen einen Sinn zu finden. Wenn wir diesen gefunden haben, haben wir inneren Frieden.
Machen wir uns auf den Weg!
Ihre
Schwester M. Angelucia Fröhlich
Der hl. Franziskus sagt:
„Mütter sind wir ihm, wenn wir ihn durch die göttliche Liebe und ein reines und lauteres Gewissen in unserem Herzen und Leibe tragen, wir gebären ihn durch ein heiliges Wirken, das anderen als Vorbild leuchten soll.“ (Brief an die Gläubigen)