Antworten und Gedanken unserer Schwestern zur Corona-Situation
„Die Corona Krise ist auch ein Zeichen dessen, dass wir Menschen uns niemals selbst genügen können, nicht Herren unseres Lebens sind. Es geht um das mehr.“
geschrieben von Schwester M. Veronika Stein
Wie stärkt Sie Ihr Glaube in der Corona-Krise?
In allen schwierigen Lebenslagen (und nicht nur da) ist es gut, wenn der Mensch etwas hat, an das er sich rückbindet, an das er sich halten und an dem er sich aufrichten kann.
Das kann der geliebte Mensch, eine Aufgabe, ein Sinnanruf, der Glaube an … sein. Es geht darum zu entdecken, was mehr ist, als das gegenwärtige Schicksal, die Not, die Krankheit, die Corona Krise. Dieses „mehr“ im aktuellen Leid ist nicht einfach zu entdecken, weil der Mensch sich gegen das Leid sträubt, sich dagegen wehrt, es nicht wahrhaben will.
Persönlich, für unsere Gemeinschaft, für die ganze Welt empfinde ich die Corona Krise als eine große Herausforderung. Aber - und das glaube ich, es gibt mehr als die Corona Krise.
Ich hatte das Glück, in einer Familie groß zu werden, wo der praktizierte Glaube an den lebendigen Gott zum Alltag gehörte. Ob bei Krankheit, beim Tod eines geliebten Menschen, in materieller Sorge und Not, bei einem herannahenden Unwetter, bei Prüfungsängsten…und natürlich auch in frohen Stunden war das persönliche und gemeinsame Gebet, der Gottesdienst, das Entzünden der geweihten Kerze, der christlich geprägte Jahreskreis … eine Stärkung im Glauben. Die Rückbindung an dieses „mehr als…“ wofür mein Glaube an den lebendigen Gott steht, hat mich in vielfältiger Not getragen und trägt mich auch heute. Diese Rückbindung im Glauben wäre einseitig, wenn sie nur in notvoller Zeit geschieht, sie ist nicht weniger wesentlich und wichtig in guten und „gesunden“ Tagen, wo sich die Rückbindung im Dank vollzieht gegenüber dem Geber alles Guten.
Das im Glauben innehalten, sich besinnen, wurde in meinem Leben immer mehr zu einer Quelle, die mir auch heute in der Corona Krise trotz Angst vor einer möglichen Ansteckung, Stütze und Halt gibt. Wir Christen haben die Heilige Woche, das Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesu in diesem Jahr mit vielen schmerzlichen Einschränkungen unter den Vorzeichen der Corona Pandemie gefeiert. Der Auferstehung Jesu tut dies keinen Abbruch an. Der am Marterpfahl hingerichtete Sohn Gottes ist siegreich von den Toten auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden, Halleluja. In jeder heiligen Messe bekennen wir dieses Glaubensgeheimnis mit den Worten: “Deinen Tod o Herr verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, bist du kommst in Herrlichkeit.“ Ein weiteres, was mich im Glauben stärkt und trägt ist, dass ich meinen Glauben nicht alleine leben muss. Es ist die Wirklichkeit und die Erfahrung der großen christlichen Glaubensgemeinschaft weltweit aber auch das Beispiel gelebten Glaubens der nichtchristlichen Religionen. Hilfreich in meinem Glauben ist, dass es in unserer Kirche und darüber hinaus viele Vorbilder und Glaubenszeugen gibt, die uns zeigen, wie sie in ihrem Leben Schicksal und Not im Glauben getragen und bestanden haben. Gerne wende ich mich in meinem Gebet auch an sie und bitte sie um ihre Hilfe und Fürsprache in unserer gegenwärtigen Not.
Was ziehen Sie persönlich an Positivem aus der Krise?
Jede Krise ist auch eine Chance zum Umdenken, anders und neu Denken und aus dem Denken heraus anders und neu zu Handeln. Tief bewegt mich die große weltweite Solidarität, das wach und sensibel werden füreinander, das sich kümmern um diejenigen, die der Hilfe bedürfen. Junge Menschen, die für andere einkaufen, Menschen, die dem Nachbarn das Essen vor die Türe stellen, das Licht, das am Abend ins Fenster gestellt wird, das Läuten der Glocken am Abend als Einladung zu einem konfessionsübergreifenden kurzen Gebetsgedenken, der aufrichtige Wunsch: „bleib gesund!“ das Hoffnungspäckchen, der Ostergruß der zum Abholen ausgelegt oder an eine Leine gebunden ist, die Grußkarten mit den gasgefüllten Luftballons… sind für mich wundervolle positive Zeichen in dieser Zeit.
Positiv empfinde ich, dass wir mit der Eingrenzung unserer sozialen Kontakte erfinderisch im Umgang unserer Beziehungen geworden sind. Ich staune und freue mich darüber, was an froh und Mut machendem an Grüßen, Bildern und kleinen Videos über WhatsApp bei mir ankommt. Junge Menschen, die miteinander auf Abstand musizieren, ein Lied singen und so trotz Kontaktgrenzen phantasievoll, erfinderisch eben, anders in Kommunikation treten. Persönlich habe ich die technischen Möglichkeiten der Verständigung neu schätzen gelernt.
Was möchten Sie den Menschen in Gedanken mit auf den gerade schwierigen Weg geben?
Ich möchte zuerst Danke sagen, den Ärzten, Pflegern, den Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft, den Politikern und Wissenschaftlern, allen, die sich persönlich und beruflich zur Linderung der Not einsetzen.
Ich denke voller Achtung an die Seelsorger, Ärzte und Pflegekräfte, die sich im Dienst an den Kranken infiziert und zu Tode gekommen sind. Ich möchte allen, die in Trauer um einen lieben Menschen sind mein Mitgefühl aussprechen. Mögen Sie aus der liebenden Erinnerung Kraft und Trost schöpfen, in der Gewissheit, dass die Liebe stärker ist als der Tod, denn geschenkte, erfahrene Liebe kann nicht sterben, sie bleibt über den Tod hinaus bestehen. Wir, die Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu möchten Ihnen allen, die Sie sich durch die Corona Krise in einer persönlichen Not befinden, unsere Solidarität in unserem täglichen Gebet schenken.
Wenn Sie möchten, dürfen Sie sich auch persönlich an uns wenden.
Was ich sonst noch sagen möchte:
Die Corona Krise hat fast unbemerkt - über Nacht - großes Leid in die gesamte Welt gebracht. Zu dem überaus schmerzlichen gesundheitlichen Einbruch, kommen für nicht wenige Menschen soziale, gesellschaftliche, wirtschaftlichen Nöte und Sorgen dazu. Weltweit trauern wir um viele Tote, um geliebte Menschen, die der Tod so plötzlich hinweggerafft hat. Noch wissen wir nicht, wie lange wir auf ein Medikament bzw. einen wirksamen Impfstoff warten müssen. Vor dem Corona Virus haben wir alle Angst und das zu Recht, denn niemand von uns weiß, ob wir nicht morgen selbst schon zu den Infizierten gehören und wie dann der Krankheitsverlauf sein wird.
Die Pandemie zeigt uns unversehens, dass wir bei allem technischen Fortschritt bei allen wissenschaftlichen Errungenschaften ganz schnell und urplötzlich an die Grenze des menschlich Machbaren kommen. Die augenscheinlich sicher geglaubte Macht schlägt um in Ohnmacht. Ein „kleines“ Virus, das die Welt gleichsam aus der Angel hebt.
Für mich ist die Corona Krise auch ein Zeichen dessen, dass wir Menschen uns niemals selbst genügen können, nicht Herren unseres Lebens sind. Der Mensch als Ebenbild Gottes und Krone der Schöpfung von Gott geschaffen, unendlich geliebt, verdankt sein Leben und seine Würde zuerst und ausschließlich diesem Gott und das von allem Anfang an, bis zu seinem Lebensende.
Gott ist unablässig geheimnisvoll schöpferisch tätig. Das Geheimnis Gottes, das im Tiefsten „un- wißbar“, sondern nur „glaub –bar“ ist, berührt Viktor E. Frankl in seiner Definition vom Menschen immer wieder, wenn er von Transzendenz, von Existieren im Geist, vom Logos spricht.
Im Vergleich zu anderen Theorien ist V. E. Frankl sich dessen bewusst, dass der Mensch ohne diese Transzendenz nicht erklärbar ist.
Die Eltern sind Ursache, nicht Grund unserer Existenz!
Auf diese These sich stützend schreibt Uwe Böschemeyer in „Mut zum Neubeginn“, Herder S 71: „Eltern sind Ursache, nicht Grund unserer Existenz, und darum haben wir die Gründe zum Leben auch nicht bei den Eltern, sondern in uns selbst und im Leben, das heißt in den ständig wechselnden Situationen unseres Lebens zu suchen.“
Was allein fortpflanzbar ist, das sind die Bausteine - aber nicht der Baumeister.
Philosophisch/theologisch wäre zu sagen: Der Mensch als geistige Person ist vor der Geburt schon immer im Sein; d.h. präexistent im Plan Gottes. (Präexistenz lat. Philos., Theol. das Existieren in einem früheren Leben)
Viktor E. Frankl der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse sagt: „Wer um die Würde, die unbedingte Würde jeder einzelnen Person weiß, hat auch unbedingte Ehrfurcht vor der menschlichen Person – auch vor dem kranken Menschen, auch vor dem unheilbar Kranken…“
Das heißt, der Mensch als geistiges Wesen hat Würde und diese Würde bleibt dem Menschen, unabhängig von seiner organischen und psychischen Befindlichkeit. Es handelt sich um eine Würde, die auch dem unheilbar Kranken zukommt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 das bei uns den assistierten Suizid erlaubt wiederspricht dieser Würde grundlegend. Möge die Corona Krise uns aufrütteln und wach werden lassen, wohin wir in unserem selbstherrlich, egoistischen Urteilen über lebenswert und nicht lebenswert steuern und unseren Blick öffnen für die Kostbarkeit, Einmaligkeit und Einzigartigkeit eines jeden von Gott gewollten und bejahten menschlichen Lebens vom ersten Augenblick der Zeugung an bis zu seinem natürlichen Lebensende.