Theresia von Lisieux – eine Einladung zum Besuch bei sich selbst

Wallfahrtstage des Klosters der Franziskanerinnen vom Göttlichem Herzen Jesu in Gengenbach fanden großen Zuspruch

Was, so kann man sich in solch rudimentär existenzbedrohlichen Zeiten einer Pandemie, eines Krieges in Europa, steigender Lebenshaltungskosten und Zukunftsängste fragen, was also kann eine rund ein Meter lange, 40 Zentimeter breite und hohe Holzschatulle, darin die Gebeine eines vor 125 Jahren gestorbenen 24jährigen Mädchens aus einem Karmelitinnen-Kloster in Frankreich, aktuell auf Reisen durch Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Menschen geben?

Die Rede ist von Theresia von Lisieux, deren Schrein vom 15. bis 17. Juni 2022 in der Mutterhauskirche der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu in Gengenbach zu sehen war und Anlass der Einladung zu einer Wallfahrt mit einem umfangreichen Fest- und Rahmenprogramm. Ihre Berufung, so schrieb sie einst über sich selbst, sei die Liebe. Ihre lebensbestimmende Erkenntnis, dass auch die vollkommensten Gaben eines Menschen nichts seien ohne die Liebe, erhielt sie aus dem ersten Korintherbrief (12. & 13. Kapitel). Ihren tiefsten Schmerz, ihre Mutter zu verlieren und allein gelassen zu sein, erfuhr sie mit fünfzehn. Nach nur neun weiteren Jahren starb sie, an Tuberkulose. Und dennoch gehören ihre Aufzeichnungen, die 'Erinnerungen ihres Lebens', nach der Bibel zu den meistgelesenen Schriften der Welt. Nur 28 Jahre nach ihrem Tod wurde sie heiliggesprochen, nach weiteren 72 Jahren (1997) ernannte sie Papst Johannes Paul II. zur Kirchenlehrerin – neben Theresa von Avila und Katharina von Siena als überhaupt erst dritte Frau in der gesamten Kirchengeschichte.

Was, so kann man sich angesichts dieser geradezu außergewöhnlichen (obendrein Frauen-)Karriere fragen, was hat dieses Mädchen für ein Leben geführt, um diese Geltung und Bedeutung zu erreichen? War es "nur" Liebe? Ihre absolute Hinwendung zu Gott und Kirche? Ihre schier unerschöpfliche Bereitschaft, vielleicht gar Fähigkeit, "Leiden", wie sie schrieb, "stets freundlich zu empfangen und keine Furcht zu haben"?

Möglich ist vieles, auch uns nicht vollständig Bekanntes. Eine exakte Ergründung der Ursachen für Theresas noch heute fühlbare Kraft ist jedoch kaum möglich ohne das Richten des Blicks vor allem auf das Publikum ihrer Schriften, also auf uns, die wie Sie jetzt diesen Bericht lesen oder gar in Gengenbach waren, um dort vor sich selbst zu stehen. Und nicht nur vor einem musealen Exponat als touristische Unterhaltung zum Feiertag. Vor der Frage, wieso überhaupt sie hier sind, jetzt, in dieser Mutterhauskirche. Welche Kraftübertragung sie sich davon erhoffen. Vor der Frage, was sie bewegt, wie sie sich selbst und die Welt sehen, wie es um ihre Fähigkeit und Bereitschaft bestellt ist zum Vertrauen, zum Verzeihen, zur Liebe zu sich selbst und zu anderen. Vor so vielen Fragen, die sich jeder nur selbst und sehr persönlich stellen kann. So war die Wallfahrt zu Theresia von Lisieux in Gengenbach vor allem eine Wallfahrt jedes einzelnen Besuchers zu sich selbst – mit dem Ziel, sich auf dem Weg zu begegnen, zu erleben und bei sich selbst anzukommen. Seitens der Franziskanerinnen unterstützt durch viele Angebote zum persönlichen Gespräch, Meinungs- und Erfahrungsaustausch, durch Anbetungen und Eucharistiefeiern und auch mit entspannt geselligem Miteinander bei Kaffee und Kuchen in der Begegnungsstätte unter den Kastanien oder dem Verweilen im Klostergarten bei strahlend schönem Juniwetter. Eine Kurzreise zu humanen und christlichen Werten. Zum Mensch sein. Gerade in diesen von existenziellen Sorgen dominierten Zeiten.

Aus diesem Grunde ist ein mit vergoldeten Scharnieren und Riemen beschlagener Schrein unterwegs durch drei Länder.



Die heilige Theresia von Lisieux

Die heilige Theresia vom Kinde Jesu und göttlichen Antlitz (1873 – 1897) ist eine der bekanntesten und meist verehrtesten Heiligen heutiger Zeit. 15-jährig trat sie in das Karmel-Kloster in Lisieux ein, schon 24-jährig starb sie an Tuberkulose.

Bereits 28 Jahre nach ihrem Tod wurde sie heiliggesprochen. 100 Jahre nach ihrem Tod ernannte Papst Johannes Paul II. sie zur Kirchenlehrerin – neben Theresa von Avila und Katharina von Siena die dritte Frau. Die Erinnerungen ihres Lebens, die sie in ihren „Selbstbiographischen Schriften“ schildert, sind nach der Bibel die meistgelesenen Schriften der Welt.

In ihrem Leben wird die Botschaft des Evangeliums ganz ursprünglich und radikal Gestalt: durch ein Leben ganz im Vertrauen auf Gott, sein Wirken an den Menschen, in der Welt.

Nicht in einem großen theologischen Schrifttum oder großer und weitreichendere Aktivität äußert sich das Leben dieser Heiligen, sondern im sogenannten „Kleinen Weg“, dem Weg des Glaubens und der Liebe im ganz normalen Alltag, in alltäglichen kleinen Gesten und Schritten – in einem Prozess des Wachstums im Glauben – sich in allem ganz und gar Gott anvertrauend. Kraftquelle zu einem solchen Leben ist die Liebe.